Schreiben

Sobald die Schülerinnen und Schüler handwerklich dazu in der Lage sind, können und sollen sie erste Texte produzieren, da das Verfassen von Texten den Erwerb der Zweitsprache Deutsch nachweislich unterstützt (Grießhaber, 2017). Wichtig dabei ist es, dass sie ein persönliches Interesse an der Verschriftlichung haben, z. B. wenn sie aufschreiben, was sie sich zum Geburtstag wünschen, oder eine Kurznachricht an ihre Freundin/ihren Freund verfassen. Diese Texte sind konzeptionell mündlich, d.h. sie sind situationsgebunden, dialogisch geprägt und in einer Sprache der Nähe formuliert. Vor allem durch die Fertigkeit des Schreibens wird in weiterer Folge der Übergang von der konzeptionell mündlichen/gesprochenen Sprache zu konzeptionell und medial schriftlicher Sprache bis zur Bildungssprache angebahnt und gefördert.

Das Schreiben beginnt mit einzelnen Wörtern und/oder mit wenigen, einfachen Sätzen. Mit der Methode des generativen Schreibens und anderen Formen des kreativen Schreibens (Elfchen, ABCdarium u.Ä.), führt die Lehrperson die Schülerinnen und Schüler an das selbständige Produzieren von Texten heran.

Erste längere Texte werden auf niedrigem Entwicklungsniveau der Syntax verfasst sein, worauf die Lehrperson mit hoher Fehlertoleranz reagiert. Differenzierter Wortschatz erleichtert das Schreiben, sollte aber in der Anfangsphase nicht vorab erarbeitet werden, da so die Intention des Schreibens und das Schreiben selbst wieder in den Hintergrund rücken (Grießhaber, 2017). Frei geschriebene Texte geben Aufschluss über die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler und bilden die Grundlage für eine Sprachstandsdiagnose z.B. mit USB DaZ. In weiterer Folge findet der Wortschatzerwerb als Vorbereitung für die Textproduktion auch während des Schreibens Einsatz. Neben dem inhaltsbezogenen Wortschatz lernen die Schülerinnen und Schüler Strukturwörter (Konjunktionen, Pronomen usw.) kennen, die sie für die Bildung von Kohärenz benötigen. Besonders wichtig ist dabei der Einsatz von Scaffolds.

Texte sind nicht nach dem ersten Verfassen fertig. Schreiben ist immer Textarbeit und damit ein komplexer Prozess, der in Einzelschritte aufgelöst werden kann (siehe unten). Zentral ist der Bezug zur Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler sowie persönliches Interesse an der Textproduktion. Die Lehrperson ermöglicht auch kooperatives Schreiben im DaZ-Unterricht. Anhand vieler kleiner Schreibaufträge für Paare oder Gruppen erstellen die Lernenden gemeinsam Texte und das Schreiben wird so zu einem kommunikativen Prozess. Die diskursive Auseinandersetzung mit dem Text bringt auch viele Erkenntnisse über Strukturen und Wortschatz.

Komplexität verringern

Der komplexe Schreibprozess wird in Einzelschritte aufgelöst:

Planen: Mit Methoden der Vorentlastung und Planung unterstützt die Lehrperson die Schülerinnen und Schüler bei der Vorbereitung des Textes, wie z.B. gemeinsames Aktivieren von Wortschatz (Assoziogramm, Cluster) oder die Formulierung von W-Fragen als Gerüst (MBWK SH, 2018).

Formulieren: Für das Schreiben selbst stellt die Lehrperson Scaffolds, Textmuster und Modelltexte zur Verfügung, die die Schülerinnen und Schüler mit dem Aufbau und der Gliederung eines Textes sowie fach- und textsortenspezifischen Formulierungen vertraut machen. Auch beim kreativen Schreiben kann die Lehrperson Paralleltexte oder Textvorlagen anbieten, deren Strukturen die Lernenden für ihre eigene Textproduktion nutzen (generatives Schreiben). Beim kooperativen Schreiben bietet sich der Einsatz von digitalen Medien an.

Überarbeiten: Lernende lernen bereits im DaZ-Anfangsunterricht einfache Methoden und Strategien zur Textüberarbeitung kennen. Da solche Strategien häufig eine vorhandene Metasprache erfordern, empfiehlt sich am Beginn vor allem der Einsatz von Checklisten, um Lernende gezielt auf eine Metasprache vorzubereiten. Die Textüberarbeitung fokussiert dabei zunächst Aspekte an der Textoberfläche (Mikrostruktur), wie Rechtschreibung, einfache Textverknüpfungsmittel, einfache Redemittel, und erst später Aspekte der Texttiefenstruktur (Makrostruktur), wie Aufbau etc. In Bezug auf den Wortschatz bekommen die Schülerinnen und Schüler konkrete Angebote zu Varianten des Ausdrucks.

Wissen um die Progression nutzen

Die Progression gibt der Lehrperson Hinweise auf die sprachlichen Anforderungen, die die Sprachhandlungen an die Lernenden stellen: Da das Beschreiben als Tempus das Präsens erfordert, ist es für Lernende beispielsweise einfacher zu verwirklichen als die Sprachhandlungen Erzählen oder Berichten, welche üblicherweise das Präteritum erfordern. Im DaZ-Anfangsunterricht kann es aber didaktisch durchaus sinnvoll sein, die Sprachhandlungen Erzählen und Berichten zunächst im Präsens zu üben, um so die anderen inhaltlichen und strukturellen Eigenschaften der Sprachhandlungen kennen zu lernen. Auch die für die Textkohärenz grundlegenden Satzverknüpfungsmittel unterliegen einer grammatischen Progression: Zunächst werden einfache Konjunktionen zur Verbindung von Hauptsätzen (und, aber, oder) erlernt. Sobald die Lernenden beginnen, Sätze mit Inversion zu bilden, zumeist mit (und) dann, kann die Lehrperson auch Satzverknüpfungen, die für die Sprachhandlung des Erzählens von Bedeutung sind, behandeln (dann, zuerst, danach, plötzlich). Erst wenn Lernende mit der Verbstellung im Nebensatz vertraut werden, sind kausale oder temporale Konnektoren wie weil oder als produktiv zu erwarten. Im rezeptiven Sprachgebrauch ist es hingegen durchaus sinnvoll, dass die Lernenden diese Konnektoren bereits früher kennenlernen. Das Wissen um die Progression erlaubt es der Lehrperson auch, Fehler richtig einzuordnen und in den Fokus zu rücken, was schon alles gelernt wurde (Grießhaber, 2017).

Literatur

Grießhaber, W. (2017): Schreiben in der Zweitsprache Deutsch. In B. Ahrenholz & I. Oomen-Welke (Hrsg.), Deutsch als Zweitsprache (DTP, Bd. 9, S. 292–305) (4., vollst. überarb. u. erw. Aufl.). Schneider.

Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein (MBWK SH) (Hrsg.). (2018). Curriculare Anforderungen Deutsch als Zweitsprache. Allgemein bildende Schulen. https://fachportal.lernnetz.de/files/Inhalte%20der%20Unterrichtsf%C3%A4cher/Deutsch%20als%20Zweitsprache/IBE/Curriculare_Anforderungen_Deutsch_als_Zweitsprache.pdf