Hören

Zu Beginn des DaZ-Erwerbs nähern sich die Schülerinnen und Schüler der neuen Sprache Deutsch vorrangig rezeptiv: Sie hören zu, reproduzieren, ahmen nach und entwickeln eine phonologische Bewusstheit, die in Wechselwirkung sowohl mit dem selbstständigen mündlichen Produzieren von Sprache als auch mit dem Erwerb der Schriftsprache steht.

Das Hören wird in weiterer Folge ein immer aktiverer Prozess und um die bedeutsame Komponente des Verstehens erweitert. Beim Hörverstehen dekodieren die Schülerinnen und Schüler das Gehörte, um es in weiterer Folge zu verstehen. Das Hör-/Sehverstehen bezeichnet die Fähigkeit, eine Kombination aus verbalen (Sprache) und nonverbalen Zeichen (Blick, Mimik, Gestik etc.) zu entschlüsseln, sei es in einem direkten Gespräch, sei es in audiovisuellen Medien, wie z.B. einem Film.

Erste Schritte in die neue Sprache unterstützen

Die DaZ-Lehrperson (wie auch alle anderen deutschsprechenden Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler und weitere Menschen im schulischen und privaten Umfeld) dient als Modell für Aussprache und Intonation sowie für erste Äußerungen, die als Chunks Eingang in den produktiven Sprachgebrauch der Schülerinnen und Schüler finden (siehe Unterkapitel „Sprechen“). Mit der Zeit entfernen sie sich von diesen Musteräußerungen und entwickeln eine eigenständige und flexible Sprachproduktion.

Die Schwierigkeit für Schülerinnen und Schüler mit einer anderen Erstsprache besteht darin, den Sprachinput zu dekodieren, also in bedeutungstragende kleinere Einheiten zu zerlegen (Sätze, Satzteile, Wörter und Laute), und mit Parallelinformationen (bereits vorhandenem Wissen darüber) zu verbinden (Eckhardt, 2017). Mit folgenden Grundsätzen kann die Lehrperson die Schülerinnen und Schüler beim Analysieren von Sprachinput unterstützen (u.a. Klein, 1992):

  • auf ein angemessenes Sprechtempo achten
  • sorgfältig artikulieren
  • einzelne Wörter wiederholt verwenden
  • einzelne Wörter in verschiedenen Sätzen an unterschiedlichen Stellen verwenden
  • durch Tonhöhe, Lautstärke und Dauer einzelne Silben bzw. Wörter betonen
  • mit Pausen Wort- und Satzgrenzen markieren
  • durch Visualisieren von Gesprochenem, Gestik und Mimik weitere Parallelinformationen liefern

Stark betontes und verlangsamtes Sprechen ist nur in der Anfangsphase sinnvoll. Schon bald achtet die Lehrperson auf eine möglichst authentische Sprechweise und legt den Fokus auf die aktive Förderung des Hörverstehens, da die Unterstützung mittel- und langfristig nicht durch das Vereinfachen des Inputs erfolgt, sondern durch das Intensivieren und Strukturieren des Dekodierungsprozesses.

Hörverstehen und Hör-/Sehverstehen aktiv fördern

Das verstehende Zuhören geht weit über das Hören als passiven Prozess hinaus. Es ist eine aktive Tätigkeit, die Konzentration, Aufmerksamkeit und eine aktive Interaktion zwischen Gehörtem und vorhandenem Wissen erfordert. Für ein globales Hörverstehen bzw. Hör-/Sehverstehen muss nicht jedes Wort verstanden werden, sondern die/der Hörende erfasst das Thema, die Hauptaussagen und wichtigsten Zusammenhänge. Die Lehrperson unterstützt die Schülerinnen und Schüler darin, Gehörtes zu verstehen, indem sie

  • Sprechpausen nach Sinnabschnitten einlegt,
  • Pausen beim medienvermittelten Hören einplant,
  • ein breites und variiertes Angebot an Hörtexten mit unterschiedlichen Sprecherinnen und Sprechern anbietet,
  • das Hören mit Hörzielen und vielfältigen Aufgabenstellungen zum Global- und Detailverstehen begleitet,
  • sich rückversichert und Aufgabenstellungen wiederholen lässt,
  • wiederholtes Hören ermöglicht (u.a. Gutzmann et al., 2019).

Mit Blick auf den Sprachstand der Schülerinnen und Schüler präsentiert die Lehrperson einen authentischen Sprachgebrauch samt aller Satzmuster des Deutschen. Im Sinne der „Zone der nächsten Entwicklung“ (Vygotskij) bietet sie den Lernenden Sprachinput knapp über deren Sprachniveau an. So können sie sich diese neuen sprachlichen Phänomene zunächst durch Nachahmung und in weiterer Folge durch selbstständige Verwendung aneignen. Der Einsatz von medialen Hörtexten ist dahingehend sorgsam zu planen. Neben externen medialen Angeboten, wie Hörbüchern, Hörtexten, Audioaufnahmen, Hörstiften, Kurzvideos, Filmausschnitten etc., bewähren sich auch eigene Aufnahmen der Lehrperson.

Durch das Vorlesen von literarischen Texten ermöglicht die Lehrperson den Schülerinnen und Schülern Begegnungen mit der Schrift- und Erzählkultur, was sich positiv sowohl auf das Leseinteresse und die Lesemotivation als auch auf die Text- und Erzählkompetenz auswirkt (Wieler, 2017).

Literatur

Eckhardt, A.G. (2017). Hörverstehen in der Zweitsprache Deutsch. In B. Ahrenholz & I. Oomen-Welke (Hrsg.), Deutsch als Zweitsprache (DTP, Bd. 9, S. 327–340) (4., vollst. überarb. u. erw. Aufl.). Schneider.

Gutzmann, M., Nodari, C. & Pols, R. (2019). Deutsch als Zweitsprache. Didaktisches Begleitmaterial zu den Curricularen Grundlagen. Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (Hrsg.). https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/fileadmin/bbb/themen/sprachbildung/Durchgaengige_Sprachbildung/Publikationen_sprachbildung/Deutsch_als_Zweitsprache_WEB_2019_05_06.pdf

Klein, W. (1992). Zweitspracherwerb. Eine Einführung (3. Aufl.). Athenäum.

Bildungsdirektion Kanton Zürich Volksschulamt (Hrsg.) (2017). Fachkonzept Integrierte Sprachförderung auf der Kindergarten- und Primarstufe. https://www.zh.ch/content/dam/zhweb/bilder-dokumente/themen/bildung/informationen-fuer-schulen/informationen-fuer-die-volksschule/unterricht/unterrichtsentwicklung/fsl/fachkonzept_integrierte_sprachfoerderung.pdf

Wieler, P. (2017). Vorlesen, Erzählen – ein- und mehrsprachige Kinder auf dem Weg zur Literalität. In B. Ahrenholz & I. Oomen-Welke (Hrsg.), Deutsch als Zweitsprache (DTP, Bd. 9, S. 341-352) (4., vollst. überarb. u. erw. Aufl.). Schneider.