Mehrsprachigkeit und Diversität

Die Schülerinnen und Schüler im DaZ-Unterricht sprechen in der Familie und/oder in der Umgebung eine (oder mehrere) andere Sprache(n) als Deutsch. Sie verfügen – wie alle Schülerinnen und Schüler – über ein vielfältiges sprachliches Repertoire und bringen diese individuelle (lebensweltliche) Mehrsprachigkeit in die Schule und in den Unterricht mit (Busch, 2021). Für einen wertschätzenden und produktiven Umgang mit diesem Sprachenschatz sind eine positive Grundhaltung sowie das Zulassen und Wert-schätzen von Mehrsprachigkeit von jeder Lehrperson, unabhängig vom Unterrichtsfach, und im gesamten Kollegium Voraussetzung, wie auch der Wille zum Einbezug und zur Förderung aller Sprachen am Standort. Das Sichtbarmachen von allen am Schulstandort vorkommenden Sprachen sowie das Nutzbarmachen von Sprachen für ein vernetztes Lernen tragen zur Identitätsbildung der einzelnen Lernenden bei, wirken sich positiv auf das fachliche Lernen aus und fördern das gesamtsprachliche Lernen aller, wofür ein fächerübergreifendes sprachpädagogisches Konzept notwendig ist („inklusive Sprachbildung“). Demnach bieten alle Lehrpersonen eine anregende, sprachenfreundliche Lernumgebung und kooperieren mit dem DaZ- und dem Erstsprachenunterricht. Aktivitäten zum Einbezug von Mehrsprachigkeit für die ganze Schule bilden das Selbstverständnis der Institution als eine inklusive und mehrsprachige ab.

Auch die kulturbezogenen Perspektiven einer mehrsprachigen Gesellschaft werden in der Schule aufgegriffen. Ein Austausch über kulturell und sozial kodierte Handlungen in allen Fächern fördert kulturreflexive Kompetenz sowie den sozialen Zusammenhalt und unterstützt die Schülerinnen und Schüler beim Aufbau und Ausbau ihrer kulturbezogenen Handlungsfähigkeit.

Der DaZ-Unterricht ist Teil dieser mehrsprachigen und diversitätssensiblen Bildung, wofür die DaZ-Lehrperson auf verschiedenen Ebenen Sprache(n) sowie kulturbezogene und diskriminierungskritische Perspektiven berücksichtigt, zum Thema macht und in Lernprozesse sowie in die Vermittlung der (neuen) Sprache Deutsch einbindet.

Eltern am Sprachenlernen beteiligen

Die DaZ-Lehrperson vermittelt den Lernenden und ihren Eltern/Erziehungsberechtigten die Bedeutung einer Weiterentwicklung der Erstsprache(n). Sie motiviert zu deren Verwendung in der Familie und zum Besuch des Erstsprachenunterrichts. Sie klärt darüber auf, dass das Lernen jeder Sprache wertvoll und wichtig ist und auch, dass der Lernzuwachs durch einen guten Unterricht in der/den Erstsprache(n) auch dem Lernen und den Fähigkeiten in Deutsch und anderen Sprachen zugutekommt.

Brücken zwischen Sprach-, Bildungs- und Lebenserfahrungen bauen

Der DaZ-Unterricht knüpft – wie auch der Regelunterricht – an die bisherigen Sprachlernerfahrungen der Schülerinnen und Schüler mit einer oder mehreren anderen Erstsprache(n) als Deutsch an. Diese sind eng mit deren Biografien verbunden, denn Sprache steht immer in Zusammenhang mit Personen, Orten und Erlebnissen (individuelle lebensweltliche Mehrsprachigkeit). Die DaZ-Lehrpersonen regen alle Schülerinnen und Schüler an, ihren Sprachenreichtum und ihre Sprachbiografien zu dokumentieren, auch in Zusammenarbeit mit den Eltern. Alle Beteiligten (Schülerinnen und Schüler, Lehrpersonen, Eltern) können so das gesamte sprachliche Repertoire der Lernenden (individuell und als Gruppe/Klasse) kennenlernen. Für die Lehrpersonen bildet dieser Einblick eine gute Grundlage zur gezielten Einbeziehung von mehreren Sprachen in ihre Unterrichtsgestaltung. Für die Anleitung von Schülerinnen und Schülern zur sprachbiografischen Reflexion ist es für die Lehrpersonen wichtig, auch eigene sprachbiografische Erfahrungen bzw. Sprachlernerfahrungen zu reflektieren.

Die Lehrperson lädt die Lernenden durch gezielte Lernaktivitäten zur Sprachreflexion ein und bindet mehr Sprachen bewusst und in geeigneter Form in den DaZ-Unterricht ein, indem sie z.B.

  • Bilderbucharbeit mehrsprachig anlegt,
  • mehrsprachige Leseaktivitäten anbietet, z. B. das Lesen einer Rolle in der jeweiligen Erstsprache,
  • Aufnahmen der Schülerinnen und Schüler bei der Präsentation mehrsprachiger Lieder, Reime und Texte ermöglicht,
  • Fachinhalte in den Erstsprachen recherchieren lässt,
  • in Schreibaufgaben die Schülerinnen und Schüler ermutigt, auf ihr gesamtes sprachliches Repertoire Bezug zu nehmen, etwa in der Sammlung von Ideen oder für den ersten Entwurf eines Textes,
  • Sprachenvergleiche anregt auf morphologischer, syntaktischer und konzeptueller Ebene – z.B. die Zeitunggiornale (ital., Aspekt des täglichen Erscheinens), newspaper (engl., Aspekt der Neuigkeiten auf Papier).

Eine Zusammenarbeit mit dem Erstsprachenunterricht erleichtert es der Lehrperson, die Erstsprachen der Schülerinnen und Schüler aktiv und (anlassbezogen) gezielt einzubinden und die gesamtsprachliche Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler in den Blick zu nehmen.

Wissen über Sprache(n) und Sprachlernen vermitteln

Auch wenn die Lehrperson nicht alle oder keine der Erstsprachen der Schülerinnen und Schüler beherrscht, kann sie sie im Unterricht einbinden. Sie eignet sich Grundwissen zum Aufbau der Sprachen an und setzt sich mit den Unterschieden zum Deutschen auseinander, um Fehler analysieren, Interferenzen erkennen und Lernpotentiale durch Sprachvergleiche ermitteln zu können.

Mehrsprachigkeit bietet den Schülerinnen und Schülern Vorteile beim Sprechen über Sprache (metasprachliche Perspektive) und bei der Entwicklung von Sprachbewusstsein (Akbulut, Bien-Miller & Wildemann, 2017). Die Lehrperson erhält dadurch besondere Möglichkeiten der Sprachbetrachtung und Sprachreflexion im DaZ-Unterricht, da sie sprachvergleichend arbeiten kann.

Die Schülerinnen und Schüler bringen eine individuelle Sprachlernkompetenz mit, die die Lehrperson aufgreift und aktiv ausbaut. Sie vermittelt Sprachlernstrategien, deren Verwendung dazu beiträgt, dass die Schülerinnen und Schüler ihren Wortschatz und ihre Sprachhandlungsfähigkeit erweitern, mündliche und schriftliche Texte verstehen und metasprachliche Betrachtungen einsetzen.

Literatur

Akbulut, M., Bien-Miller, L. & Wildemann, A. (2017). Mehrsprachigkeit als Ressource für Sprachbewusstheit. Zeitschrift für Grundschulforschung. Bildung im Elementar- und Primarbereich, 2/2017, 61–74.

Busch, B. (2021). Mehrsprachigkeit (3. Aufl.). utb.