Sprechen

Sprechen lernt man primär kooperativ, also im interaktiven Austausch mit anderen Menschen, insbesondere mit kompetent Sprechenden. Im DaZ-Unterricht nimmt die Lehrperson in Bezug auf das Sprechen nicht nur die Rolle der Gesprächspartnerin bzw. des Gesprächspartners ein, sondern auch die des Sprachvorbildes. Im Gespräch passt sich die Lehrperson dem Sprachniveau der einzelnen Schülerin/des einzelnen Schülers an – ihre Sprache bewegt sich immer ein wenig über dem Niveau der Lernenden. Weiters unterstützt sie sie durch verschiedene Strategien in der sprachlichen Entwicklung. Ein offenes Gesprächsklima und eine positive Fehlerkultur sind wichtig, damit die Lernenden angstfrei sprechen lernen.

Für den Start in eine neue Sprache sind feste Redewendungen (Chunks) von zentraler Bedeutung, denn sie geben den Lernenden Sicherheit. Feste Wendungen sollten spielerisch eingeführt und verankert werden:

  • mit Fotos
  • im Rahmen von Rollenspielen,
  • anhand von Liedern, Auszählreimen und Versen

Um im nächsten Schritt die eigenständige Sprachproduktion der Schülerinnen und Schüler anzuregen, eignen sich Gespräche mit gezielt formulierten und gut vorbereiteten Redeanlässen („Sprachbedarfsanalyse“). Als Impulse dienen Themen, die die Schülerinnen und Schüler emotional ansprechen, wie aktuelle Vorkommnisse im Schulalltag und gemeinsam Erlebtes, persönliche Vorlieben, aber auch Konflikte, Bücher und Filme, Gegenstände und Personen. Die Lehrperson regt die Schülerinnen und Schüler dazu an, zunächst verstehend zuzuhören und dann selbst bestimmte sprachliche Elemente und/oder grammatische Strukturen in Hinblick auf ein konkretes Thema zu erproben. Hierbei wird bewusst auf Imitation als wichtigen Prozess im Zweitspracherwerb zurückgegriffen, d.h. die Lernenden imitieren und übernehmen so konkrete sprachliche Äußerungen, die nach Möglichkeit auch mit Schriftunterstützung dargeboten werden (Wortkarten o.Ä.). Auch Rollenspiele ermöglichen den Schülerinnen und Schülern die mündliche Sprachproduktion im geschützten Rahmen. Mit der Zeit entfernen sie sich von vorgegebenen Mustern und setzen Sprache selbständig produktiv ein.

Es ist wichtig, dass die Lehrperson authentische Sprechanlässe initiiert: Regelmäßige Lehrausgänge und Exkursionen müssen Teil des DaZ-Unterrichts sein (auch bereits in der Anfangsphase) genauso wie kommunikative Lernsituationen, die z.B. die Interaktion auf Schulwegen oder in Pausen einschließen (Gutzmann et al., 2019) und einen Bezug zum Umfeld und zur Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler haben. Die Lehrperson bietet vermehrt Aufgaben in ihrem Unterricht an, die im Gegensatz zu Übungen auf die Verwendung von vorhandenen und den Aufbau neuer Kompetenzen ausgerichtet sind. Auf diese Weise verknüpft die Lehrperson in ihrem Unterricht u.a. die methodisch-didaktischen Prinzipien der Handlungs- und der Aufgabenorientierung.

Die Lehrperson animiert die Schülerinnen und Schüler zum freien Sprechen, indem sie konkrete Fragen stellt: Entscheidungsfragen fordern die Schülerinnen und Schüler vor allem rezeptiv – sie müssen die Frage verstehen, um mit „Ja“ oder „Nein“ antworten zu können. Ergänzungsfragen fordern sie zusätzlich produktiv, wobei sich die Lehrperson ihrer Erwartungen in Hinblick auf Inhalt und Form bewusst sein muss. Sie gibt den Lernenden Gelegenheit für Output auf ihrem Sprachniveau und erweitert bzw. formuliert um („shaping“) (Walsh, 2013). Sie bietet auch strukturierende Hilfen an (Scaffolds), um die Schülerinnen und Schüler während des Sprechens zu unterstützen. Nachbereitende Übungen tragen zur Festigung bei.

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Ein Wechsel der Sozialform gibt den Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit, ihren Sprechanteil zu erhöhen. Viele Dialoge werden von Anfang an in Partnerarbeit oder in Kleingruppen durchgeführt, zuerst im strukturierten Rollenspiel, dann immer freier. So können die Schülerinnen und Schüler ohne Lehrperson üben und ausprobieren und gewinnen viel Redezeit. Die Lehrperson überprüft dabei nur exemplarisch – wichtiger als die Sprachrichtigkeit ist die Sprechgelegenheit

Im Rahmen solcher Lernsettings wird einerseits die Beziehung zu den Lehrenden und der Lernenden untereinander gestärkt, andererseits werden die sprachlich-kommunikativen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler im Gespräch gefördert: Sie lernen die Regeln des Sprecher/innenwechsels kennen, Nicht-Verstehen mit Hilfe unterschiedlicher Strategien anzuzeigen und rückversichernd nachzufragen. So erweitern sie ihre Kompetenzen, sich aktiv in ein Gespräch einzubringen.

Als Sprachvorbild und Gesprächspartnerin / Gesprächspartner agieren

Ein gutes Sprachvorbild und eine kompetente Gesprächspartnerin / ein kompetenter Gesprächspartner setzt u.a. folgende sprachliche und interaktionale Strategien bewusst ein:

  • Redundanzen (=Wiederholungen) in der eigenen Sprache schaffen

Um den Schülerinnen und Schülern das Verstehen – auch von fachlichen Konzepten und Inhalten – zu erleichtern, verlangsamt die Lehrperson Gespräche, indem sie z.B. Gedanken ausformuliert und den Schülerinnen und Schülern durch bewusst eingesetzte Pausen mehr Zeit gibt, Antworten zu formulieren. Auch ist es wichtig, Informationen vielfältig zugänglich zu machen und eine „Brücke“ zwischen alltagssprachlichen und bildungssprachlichen Formulierungen zu bauen. Konkret bedeutet dies, eine “Idee” oder einen Begriff auf unterschiedliche Weise auszudrücken und verständlich zu machen. Dieses sogenannte „Elaborieren“ erreicht man durch bewusstes Wiederholen oder Paraphrasieren eines Konzeptes, ohne neue Information hinzuzufügen, z.B. Wir können zum Haus der Apfelkerne auch sagen, Apfelkerne wohnen in einem Kerngehäuse. Das Kerngehäuse ist das Haus, in dem die Kerne wohnen. Es heißt Kerngehäuse (ÖSZ, 2022). Damit wird die Sprachverwendung redundant, soll aber nicht langweilig oder monoton erscheinen. Redundanzen schafft die Lehrperson außerdem, indem sie Äußerungen vollständig ausformuliert, statt z.B. Pronomen zu verwenden, oder indem sie grammatische und semantische Bezüge explizit herstellt, damit auch komplexere oder noch unbekannte Formulierungen verständlich werden (das Kerngehäusees heißt Kerngehäuse).

Im Gespräch können Strategien angewendet werden, die die Schülerinnen und Schüler zur aktiven Teilhabe am Gespräch motivieren. Hier können v.a. offene Fragen, deren Antworten nicht im Vorhinein feststehen, und reale Sprechanlässe dazu eingesetzt werden, die Lernenden ins Gespräch zu involvieren. In weiterer Folge geht es darum, durch gezielte Rückfragen, ob ich als Lehrperson richtig verstanden wurde bzw. ob ich die Schülerin/den Schüler richtig verstanden habe, inhaltliches Verstehen abzusichern und inhaltliches Feedback zu geben. Sofern die Sprechanlässe anregend sind und sich die Lernenden am Gespräch aktiv beteiligen, braucht es Lehrpersonen, die nachfragen und nachhaken (Wie meinst du das genau? Warum ist das so, was denkst du?) und zum Ausformulieren und Konkretisieren des Gemeinten anregen. Die Lehrperson ist dann gefordert, die Beiträge der Lernenden nicht nur positiv aufzugreifen und zu evaluieren (Ja, danke, oder Super.), sondern durch Umformulierungen, Erweiterungen oder Paraphrasierungen zu erweitern (=“shaping“). So kann sie „gute“ Modelle liefern und gleichzeitig das Gespräch als lebendiges Lernsetting nutzen.

Weitere Strategien einsetzen

Als weitere Strategien zur Anreicherung des Inputs kann die Lehrperson kurze (auch persönliche) Kommentare einbinden und das Gespräch ausschmücken (z.B. durch lautmalerische oder humorvolle Zusätze). Durch Inhaltsorientierung und inhaltsbezogenes Feedback schafft die sprachbewusste Lehrperson eine Atmosphäre, in der die Zielsprache als Kommunikationswerkzeug und das Sich-verständlich-Machen (-Können) als wichtigste Ziel der DaZ-Förderung erlebt werden. Darauf aufbauend können kurze und auch direkte Hinweise zur zielsprachenkonformen Realisierung der Gesprächsbeiträge sowie formbezogene Hinweise (zur grammatisch korrekten Formulierung) gegeben werden (durch Reformulierungen oder aber auch kurze, explizite Korrekturen). Außerdem kann die Lehrperson bewusst Wiederholungen mit veränderter Intonation einbauen, um auf bestimmte Strukturen hinzuweisen. Auf der Metaebene kann die Lehrperson auf die sprachliche Dimension eingehen, z.B. Wir sagen im Alltag ‚drehen‘, Forscherinnen und Forscher sagen dazu ‚rotieren‘ (Gibbons, 2015).

Um der Forderung eines „guten Sprachvorbildes“ nachzukommen, ist es wichtig, dass sich die Lehrperson mit dem eigenen Sprechen und dem eigenen kommunikativen Verhalten auseinandersetzt.

Monologisches Sprechen anbahnen

Insbesondere der Fachunterricht ist davon geprägt, Informationen einzuholen, zu verarbeiten und weiterzugeben. Für die Weitergabe von mündlichen Informationen ist das monologische Sprechen von Bedeutung, das konzeptionell schriftlich und bildungssprachlich geprägt ist und nicht einfach beim alltäglichen Gebrauch von Sprache erworben wird (Gutzmann et al., 2019).

Die Lehrperson führt die Schülerinnen und Schüler langsam an das Präsentieren von fachlichen Inhalten heran und bietet dafür passende Scaffolds an. Sie halten von Anfang an kleine Monologe, z. B. sich selbst oder die Familie vorstellen, einen Gegenstand oder ein Tier beschreiben oder ein Land, ein Hobby oder ein Idol präsentieren. Rituale spielen auch hier eine wichtige Rolle, wenn z.B. eine kurze Darstellung zu einem selbst gewählten Thema durch die Lehrperson oder eine Schülerin/einen Schüler die DaZ-Stunde einleitet.

Vom Sprechen zum Schreiben

Dieses mündliche Konstruieren eines konzeptionell schriftlich geprägten Textes stellt eine wichtige Vorstufe für das schriftliche Verfassen von Texten dar. Die Lehrperson plant diesen Schritt vor dem eigentlichen Schreiben aktiv in ihren Unterricht ein, was von C. Nodari als „mündliche Schreibstunde“ bezeichnet wird (Gutzmann et al., 2019, S. 80). So werden die Schülerinnen und Schüler auf das Schreiben vorbereitet, aktivieren Vorwissen, lernen die Textsorte kennen, erarbeiten Wortschatz und erhalten wichtige Inputs zur Formulierung, u.a. durch das Angebot von Scaffolds. Die Lehrperson ermöglicht das Kennenlernen unterschiedlicher Textsorten und unterstützt die Schülerinnen und Schüler darin, ein Bewusstsein für die Funktion der Textsorten sowie die typischen Strukturen und sprachlichen Mittel einer bestimmten Textsorte zu entwickeln.

Literatur

Gibbons, P. (2015). Scaffolding Language, Scaffolding Learning: Teaching English Language Learners in the Mainstream Classroom (2. Aufl.). Heinemann.

Gutzmann, M., Nodari, C. & Pols, R. (2019). Deutsch als Zweitsprache. Didaktisches Begleitmaterial zu den Curricularen Grundlagen. Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (Hrsg.). https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/fileadmin/bbb/themen/sprachbildung/Durchgaengige_Sprachbildung/Publikationen_sprachbildung/Deutsch_als_Zweitsprache_WEB_2019_05_06.pdf

Österreichisches Sprachen-Kompetenz-Zentrum (Hrsg.). (2022). Strategien für eine sprach(en)sensible Gesprächsführung in der Primarstufe. ÖSZ.

Walsh, S. (2013). Classroom Discourse and Teacher Development. University Press.